Gottesdienst „to go“ für Sonntag (Kantate) den 02. Mai 2021

 

Im Namen Gottes,
Ursprung allen Lebens,
Grund unserer Hoffnung,
Kraft, die uns bewegt.
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.


Lied: Singt, singt dem Herren neue Lieder EG 286

 

Psalm 98 (EG 739)
Singet dem Herrn, rühmet und lobet
Singet dem Herrn ein neues Lied,
denn er tut Wunder.
Er schafft Heil mit seiner Rechten
und mit seinem heiligen Arm.
Der Herr lässt sein Heil kundwerden;
vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar.
Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel,
aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
Jauchzet dem Herrn, alle Welt,
singet, rühmet und lobet!
Lobet den Herrn mit Harfen,
mit Harfen und mit Saitenspiel!
Mit Trompeten und Posaunen
jauchzet vor dem Herrn, dem König!
Das Meer brause und was darinnen ist,
der Erdkreis und die darauf wohnen.
Die Ströme sollen frohlocken,
und alle Berge seien fröhlich vor dem Herrn;
denn er kommt, das Erdreich zu richten.
Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit
und die Völker, wie es recht ist.
Amen. 


Lesung aus der Bibel 1. Samuel 16,14-23 (Davids Saitenspiel vertreibt die bösen Geister)


Gebet
Herr unser Gott, es tut gut, inne zu halten und sich an dich zu wenden, zu vertrauen, dass wir in deiner Gegenwart geborgen sind. Lass uns deine Stimme hören, die von deiner Liebe erzählt; ihr Klang lässt unsere Seele aufatmen. Dies bitten wir durch Jesus Christus kraft des Heiligen Geistes. Amen


Lied: Du meine Seele singe EG 302

 


Predigt zu Lukas 19,37-40

Die Predigt zum Anhören  

37 Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten,
38 und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!
39 Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht!
40 Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

Wenn die Menschen, die Gott loben schweigen, dann werden die Steine schreien. Im Frühjahr 2021 wird viel geschrien. Menschen schreien auf den Straßen und in den sozialen Netzwerken ihren Frust heraus. Mehr als ein Jahr Corona Pandemie in Deutschland bringt viele auf die Barrikaden. Man hat den Eindruck das die Zuversicht und der Zusammenhalt unserer friedlichen und demokratischen Gesellschaft schwindet. Mehr noch, da viele das Gefühl haben, dass sie mit ihren Schreien nicht gehört werden, wandelt sich ihr Frust in Wut und aus der Wut heraus kommt es zu Gewalt gegen Polizei, Rettungskräfte, MedienvertreterInnen und PolitikerInnen. Der soziale Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält wird brüchig. Die prägende Kraft des christlichen Glaubens schwindet. Von den einen als Teil eines überholten Systems, von den anderen als nicht mehr für das persönliche Leben relevant abgelehnt, werden unsere Kirchen Jahr für Jahr kleiner. Singen wir noch von den großen Taten Gottes, oder lassen wir uns von querdenkenden Pharisäern zum Schweigen bringen? Wir sind ein wichtiger Bestandteil dieses sozialen Kits in unserer Gesellschaft, weil wir von Gott her den Blick von uns weg auf den Nächsten richten, weil uns das Schicksal der mit uns lebenden Geschöpfe Gottes und der ganzen Schöpfung nicht egal ist. Wir bringen auf unterschiedliche Weise unsere Betroffenheit und unser Mitgefühl zum Ausdruck und haben eine Vision von einer freien und gerechten Welt.

In Krisen haben wir nicht nur Deutungen anzubieten, sondern auch erprobte Rituale zur Bewältigung des Lebens. Seit ein paar Tagen steht in unserer Landenhäuser Kirche eine kleine Klagemauer. Die Kirchenbesucher haben die Möglichkeit ihrer Klage, Wut und Anklage Gott gegenüber Ausdruck zu geben. Die Kirche steht tagsüber offen, nicht nur für die Landenhäuser, auch Menschen aus Angersbach und Rudlos können ihre Klagen hier vor Gott bringen. So wie beim große Vorbild in Jerusalem können sie ihre Klage auf einen kleinen Zettel schreiben und diesen in die Lücken der Steine stecken. Das kann die Klage über den Verlust des Partners sein, oder die Sorge um den Arbeitsplatz. Es kann die Sorge um einen Menschen sein, der auf einer Intensivstation beatmet wird, oder die Sorge um die an Krebs erkrankte Freundin.

„Siehe der Stein schreit aus der Mauer!“ Dieses Zitat aus dem Buch des Propheten Habakuk finden wir auf vielen jüdischen Grabsteinen. Als Ausdruck der Trauer werden auf diesen Grabsteinen Steine abgelegt. In der jüdischen Tradition werden die schreienden Steine beispielsweise als Zeugen gegen Menschen gesehen, die sich gegenüber dem Leiden der Gemeinde verschließen. Im babylonischen Talmud Taanit wird darauf hingewiesen: „Wenn die Gemeinde sich in Schmerz befindet, so darf man nicht sagen: Ich will nach Hause gehen, essen und trinken, und Friede über dich, meine Seele … Vielmehr muss der Mensch sich am Schmerz der Gemeinde beteiligen.“ Die Klagemauer in der Kirche Landenhausen lädt dazu ein. Und wir bleiben als Gemeinde nicht bei der Klage stehen, sondern nach der Klage wird Gott für seine Rettung aus der Not auch gedankt und gelobt. Unsere Klage erdet dieses Lob Gottes, weil unsere Not und die Not der anderen nicht verschwiegen werden müssen.

Im Evangelium des heutigen Sonntags steht der Lobpreis der Jünger im Mittelpunkt. Jesus hat sich mit seinen Freunden nach Jerusalem begeben. Beim Anblick der heiligen Stadt und dem anstrengenden Aufstieg über den Ölberg wurden die Jünger von großer Freude ergriffen. Sie lobten Gott für das, was sie mit Jesus erlebt hatten. Sie hatten Wunder gesehen, die ihr Meister an den vielen Orten Galiläas und Judäas vollbracht hatten. Darin erkannten sie Gott und sahen darin Zeichen seiner kommenden Gottesherrschaft.

„Bettler und Lahme sahen wir beim Tanz, hörten wie Stumme sprachen, durch tote Fensterhöhlen kam ein Glanz, Strahlen, die die Nacht durchbrachen. Zeichen und Wunder sahen wir geschehen…“ schreibt Diethard Zils im Lied „Wir haben Gottes Spuren festgestellt“.

Diese Zeichen und Wunder haben die Jünger auf ihrer Wanderschaft mit Jesus erlebt und können von dem Erlebten nicht schweigen. Die Jünger fangen an zu singen, damit es die Umstehenden hören, wie unglaublich es ist, Jesus nachzufolgen und mit ihm zu leben.

Das Lob der Jünger erinnert an die Weihnachtszeit. „Gelobt sei der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!“ Sie leihen sich die Worte aus Psalm 118 und singen mit Freude.

Ich stelle mir diesen Gesang nicht wie einen meisterlichen Chor vor, sondern wie den Gesang der Gemeinde in unseren Kirchen vor der Corona Pandemie. Er verbindet die Stimmen, die meist den richtigen Ton treffen mit denen die eher brummen. Sie alle sind Teil einer singenden Gemeinschaft. Ihr Gesang wirkt ansteckend, denn eine große Zahl der umstehenden Menschen stimmt in den Gesang der Jünger mit ein. Mich erinnert das an die Balkongesänge im letzten Jahr oder die Singgemeinschaften auf Youtube, die uns mit ihrem Gesang berühren und innere Freude schenken. Die Menschen, die um die singenden Jünger stehen und mitsingen fühlen sich angesprochen. Sie spüren und erleben bei Jesus etwas, das ihrem Leben guttut.

Die Pharisäer hätten auch in dieses Lob einstimmen können, aber ihre Münder bleiben verschlossen und die Mienen verfinstert. Sie wollen nicht loben, sie wollen ihn sogar verhindern. Sie erleben Jesus nicht als eine einladende Stimme zu leben, sondern fühlen sich angegriffen in ihrer Art zu leben und zu denken. Es ist die Angst, dass Jesus ihnen etwas wegnehmen könnte. Für sie ist Jesus ein religiös Verwirrter, der Unruhe stiftet, wo doch alles wohl geordnet ist. Das Gott das Gute schenkt, das Leben, die Gemeinschaft, die Vergebung von Schuld und eine lebenswerte Zukunft, dass sehen sie nicht. Sie werden sich dafür einsetzen, dass er zum Tode verurteilt wird.

In diesem Augenblick sieht Jesus schon mehr. Er sieht das grausame Schicksal Jerusalems vor seinen Augen. Die Stadt wird brennen und kein Stein wird mehr auf dem anderen bleiben. Die Steine schreien. Klagen, weinen, vor Trauer und Schmerz.

Der Evangelist Lukas schildet den Jubel der Jünger und die Tränen Jesu Jahrzehnte später. Er hat dabei keine Stadt voller Leben mehr vor Augen. Jerusalem wurde im Jahr 70 von den Römern zerstört. Es breitet sich nun ein Trümmerfeld aus. Das sind schreiende Steine, zu denen auch die des Tempels gehören. Das jahrhundertelange Gotteslob ist verstummt, mit ihm auch die Gebete der Pharisäer. Statt Frieden Zerstörung. Statt Gerechtigkeit Unterdrückung und Flucht. Jetzt müssen Steine, Trümmersteine zum Himmel schreien. Eine Klagemauer gibt durch die Jahrtausende Zeugnis ab. Warum begreifen wir nicht, was Gott will? Warum heißen wir seinen Frieden und seine Gerechtigkeit nicht willkommen?

Wenn die Menschen, die Gott loben schweigen, dann werden die Steine schreien. Das haben wir in unserer eigenen Geschichte schmerzlich erfahren müssen. Die Historikerin Elisabeth Schmitz hört Angesichts des Hasses, der Hetzte und der Zerstörung die Steine schreien. Sie vermisst gerade beim Hass gegen die Juden die Stimme der Kirche in einer von Wut, Frust, Hass und Hetzte aufgeheizten Stimmung. Die Volksseele ist vergiftet, die Jugend wird ihrer Zukunft beraubt und ganze Existenzen werden vernichtet, schreibt sie. Dazu darf die Kirche nicht schweigen und es nicht dem Mut und der Einsicht Einzelner überlassen, etwas zu sagen.

Angesichts von der angestauten Wut und dem Hass in unserer Gesellschaft, der an manchen Orten laut wird hören wir die Steine schreien. Wie passt diese Wut zu den offenkundig schlimmen Schicksalen in unserer Gesellschaft und weltweit? Wir können es nicht einzelnen starken Persönlichkeiten überlassen, gegen diese Wut anzustehen. Wer schreit hat keine Argumente. Wer Gewalt säht, stellt sich außerhalb einer auf Recht und Gerechtigkeit aufbauenden Gesellschaft.
Mehr als 80.000 Menschen sind seit dem Beginn der Corona Krise verstorben. Eine noch unbekannte Zahl an Existenzen wurde zerstört oder wird zerstört werden. Mit täglich neuen Höchstwerten an Infektionen gilt Indien mittlerweile als globales Epizentrum der Pandemie. Sie trifft uns alle, aber schlägt besonders in den ärmeren Regionen der Welt zu. Neben der Pandemie steuern wir einer globalen Klimakatastrophe entgegen, die uns alle treffen wird.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Hoffnung groß, dass es ein gutes Leben nach Corona für uns geben kann. Manche verbinden damit auch die Hoffnung, dass es uns gelingt, die guten Dinge aus der Krisenzeit zu bewahren. Die Solidarität und für Fürsorge füreinander, die spürbare Reduzierung der Umweltbelastungen und die Verlangsamung unseres oft zu hektischen Alltags. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist auch die Hoffnung groß, der drohenden Klimakatastrophe etwas entgegenzusetzen. Noch sitzen wir nicht wir Lukas in den Trümmern einer zerstörten Welt.

Lukas schreibt sein Evangelium nach der Katastrophe. Es geht ihm darum, wie die Katastrophe überwunden werden kann, wie die Auferstehung aus Ruinen und die Vertreibung der Todesschatten und ein neues Verhältnis zu Gott möglich sein kann.

Schon die Vorfreude auf die Überwindung der Krise öffnet das Herz. In der Krise hören wir neu, traurig aber auch mit Hoffnung Gottes Wort. Nicht die Steine sollen schreien, sondern wir sollen singen und loben und danken, damit nicht erst im Himmel, sondern auch auf Erden mehr Friede, Freude und Zuversicht werde.

Am heutigen Sonntag Kantate bitten wir Gott. Gib, dass wir neu zu deiner singenden Gemeinde werden, die dich lobpreist. Verwandle unsere Klage und unser Schweigen in fröhliches Singen. Mit hellen, klaren Tönen oder einem Brummen, das auf dem Herzen kommt. Amen.


Lied: Nun jauchzt dem Herren EG 288

 

Gebet

Neue und alte Lieder wollen wir dir singen, o Gott,
denn unser Glaube lebt in diesen Liedern,
die wir dir singen, als deine Gemeinde.

Doch noch müssen wir leben in liedloser Zeit,
verschlossen die Münder, stumm die Instrumente,
hier bei uns und an vielen Orten dieser Erde.

Aber unser Gebet können wir dir sagen,
gemeinsam vor dich treten, das vor dich bringen,
was uns bewegt, was dein Geist uns eingibt.

So bitten wir für all die Menschen, die krank sind
oder im Sterben liegen. Und für die Menschen,
die anderen dienen in Therapie und Pflege.

So bitten wir dich besonders für die Menschen in Indien und weltweit, die an den Folgen der Corona Pandemie leiden und einsam sterben. Hülle ihr Leid in dein Erbarmen und schenken ihnen deinen Frieden, den sie hier auf unserer Welt nicht mehr finden können.

So bitten wir für all die Menschen, die sich sorgen
um die Seelen der Einsamen, die Verbindungen suchen
und Nähe schaffen, wo Trennung herrscht.

So bitten wir für all die Menschen, die in Sorge sind
um ihren Lebensunterhalt. Und für die Menschen,
die Verantwortung übernehmen für das wirtschaftliche Leben.

Wir sehnen uns zurück nach einem Leben mit frohen Liedern,
offenen Gesichtern und herzlichen Begegnungen,
so bitten wir dich: Komm uns entgegen, du unser Gott!

In der Stille bringen wir vor Gott, was uns in diesen Minuten besonders bewegt:

STILLE

Vater unser im Himmel …
Amen.


Lied: Kommt herbei, singt dem Herrn EG Plus 35

 

Segen
Geht hin unter dem Segen Gottes.
Geduldig im Ungewissen.
Behütet in der Krise.
Mutig im Handeln.
Gott segne uns und behüte uns. Gott lasse das Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Gott erhebe das Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.
Amen


Pfarrer

Michael Gütgemann

 


 

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