Osterpredigt 2021 zu Offenbarung 5,6-14 und EG 99 (Christ ist erstanden)

 
Christ ist erstanden (EG 99)


„Christ ist erstanden von der Marter alle.“ Das Lied ist vielleicht das heute älteste in deutscher Sprache gesungene Kirchenlied. Es stammt aus dem 12. Jahrhundert. Es hat viele Veränderungen erfahren Eine bewegende Geschichte hat dieses Lied hinter sich. Es wurde im Gottesdienst und auf Pilgerreisen und Prozessionen gesungen. Es gab Phasen, da war es in der Messe nur geduldet und beim einfachen Volk umso beliebter. Martin Luther hat einmal gesagt: „Alle Lieder singt man sich mit der Zeit müde, aber das `Christ ist erstanden`muss man alle Jahre wieder singen“. 

Wenn Sie diese Predigt nicht im Kirchenraum lesen, dann suchen sie ihn vielleicht in diesen Ostertagen einmal bewusst auf.

Ich sehe mich gedanklich in unserer alten Kirche in Angersbach, deren ältester Teil auch auf das 12. Jahrhundert zurückgeht. Und ich stelle mir vor, wie dieser österliche Hoffnungsruf über die Generationen hinweg in diesem Raum erklungen ist.
Heute an Ostern 2021 stimmen wir als Gemeinde in der Kirche zum zweiten Mal nicht diesen österlichen Hymnus an. Schon 2020 konnten wir keinen Ostergottesdienst feiern. Doch selbst, wenn wir uns in dieser Zeit versammeln, bleiben unsere Kehlen verstummt. Singen ist verboten, zu gefährlich wegen der Ansteckungsgefahr.

So bleibt uns nur, das eigene Anstimmen und die Kraft der Vorstellung.

Ich stehe in Gedanken in unserer alten Kirche und stelle mir die Menschen vor, die sich hier zum Osterjubel versammelt haben. All die Menschen aus 8 oder 9 Jahrhunderten, alle, die jemals hier diese Zeilen gesungen haben. Ich stelle mir vor, wie sie unsere Kirche füllen, all die Plätze können sie nicht fassen. Auch die Fläche um die Kirche füllt sich. Wahrscheinlich füllen sich alle Straßen und Plätze unseres Ortes mit ihnen.

Denken wir alle diejenigen Menschen in Deutschland dazu, die jemals Ostern gefeiert haben, das ganze Land wäre voll von dem vielstimmigen Klang des altkirchlichen Jubelrufes: „Christ ist erstanden!“

Ostern nimmt dem Tod die endgültige Macht. Doch im Blick auf die gefährdete Wirklichkeit ist noch vieles beim Alten. Das Leben fühlt sich bedroht an. Heute mehr denn je. Vor Corona konnten wir wenigsten in den Urlaub, auf Konzerte und zahlreiche Events flüchten und die Sorge um die Begrenzung des Lebens mehr oder weniger gut verdrängen. Zumindest so lange, bis uns die Macht des Todes gestreift oder eingeholt hat.

„Christ ist erstanden!“ Dieser Satz ist wie ein Fundament für´s Leben. Er gibt uns sicheren Stand, wenn unsere Sicherheiten bedroht sind. Wir bewegen uns alle zwischen Hoffnung und der Erfahrung des bruchstückhaften Lebens.

Im Buch der Offenbarung sieht Johannes die unzählige Menge, die Gott anbetet und Jesus Christus lobt. Er sieht nicht nur uns Menschen in diesen Jubel einstimmen, sondern alle Geschöpfe im Himmel und auf Erden. Die Freude über den Sieg des Lebens ist so groß, das Himmel und Erde in den Jubel einstimmen. Der Seher entdeckt darin eine große Kraft. Gegen die in der Auferstehung gewonnene Kraft Jesu kommt man nicht an. Selbst der Tod ist ihr nicht gewachsen.

„Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen.“ Ein steiler Satz. Ohne die Auferstehung Jesu hätte die Welt einen anderen Verlauf genommen. Jesus hat nur eine
verhältnismäßig kurze Zeit gelebt und gewirkt und doch hat die Nachricht von seiner Auferstehung eine Bewegung von großer Kraft und großer, weltweiter Verbundenheit in Gang gesetzt. Ostern können wir dieser Resonanzkraft auf unterschiedliche Weise nachspüren. Digital, real, to go und ganz persönlich.

„Halleluja. Des soll´n wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein.“ Freude und Trost. Die Liedzeile spricht von ganz unterschiedlichen Gemüts-zuständen. Freude und Trost brauchen wir in an diesem Osterfest ganz besonders.

Was fühlen wir an Ostern 2021? Ein Osterfest, dass wieder einmal von Corona und seinen Folgen überschattet ist. Da ist die Traurigkeit darüber, dass so vieles, was wir an Ostern schätzen, nicht möglich ist. Wir können uns nicht zum Osterfrühstück mit unseren Familien treffen, wenn sie in mehreren Haushalten leben. Wir können uns nicht im Gemeindehaus zum Osterfrühstück versammeln, keine Osternacht und keinen Ostergottesdienst feiern, kein Osterlicht von Nachbar zu Nachbar weitergeben. Wir können nicht einstimmen in das Halleluja und den Jubelgesang, weil Singen nicht möglich ist in dieser wundersamen Zeit. Ostern 2021 spüre ich vielleicht die Einsamkeit ganz besonders. Keine Kinder, keine Engel oder Urenkel kommen zu Besuch. Ein Kuß auf den Bildschirm des Smartphones oder des Tabletts beim Videoanruf, kann die Nähe und die Wärme einer Berührung nicht ersetzen.

Das Lied „Christ ist erstanden“, dieser alte, kirchliche Hymnus verbindet uns durch Raum und Zeit. Er schafft eine Gemeinschaft im Geiste. Das alte Osterlied mit seinen Strophen bietet viel Raum, weil das Kreuz und der Gekreuzigte nicht vergessen sind und damit auch nicht die Kreuze dieser Welt. Wieder einmal hat das Virus unsere Pläne durchkreuzt. Wir müssen weiter auf Distanz bleiben. Alle die auf eine zügige Impfung gehofft haben, werden enttäuscht. Die Mutationen bedrohen unsere Sehnsucht nach Freiheit. Die Verantwortlichen streiten sich um Freiheit und weitere Einschränkungen.

„Christ ist erstanden von der Marter alle.“ Dieses Lied lädt uns gerade jetzt ein, den Auferstandenen zu bekennen, ihm zu trauen. Denn aus Tod wird Leben. Das Leben ist mächtiger als der Tod, und das wird auch so bleiben.

In dem Lied ist viel Raum für die, die es singen, allein oder in unseren offenen Kirchen an den Osterfeiertagen. Der Text und die Melodie gibt viel Raum für unsere eigene Lebensgeschichte, so unterschiedlich sie auch verläuft. Ich stelle mir vor, dass Menschen gerade deshalb über die Jahrhunderte bis heute nicht müde geworden sind, diesen Osterhymnus zu singen, weil wir unser ganzes Leben und uns selbst, unsere Ängste, Wünsche und Träume hineinbringen können, unsere Befürchtungen, Mutlosigkeit, Krankheiten, Alter und das Sterben.

Wir können uns wiederfinden mit unseren Erfahrungen von Leben, wie Krankheit Heilung gefunden hat, Liebe den Hass überwindet und Gemeinschaft nicht völlig zerbricht, weil wir Distanz halten, um uns gegenseitig zu schützen.

All das passt hinein in dieses alte Osterlied, dies uns all das andere, was wir in diesem Jahr mitbringen zum Osterfest. Uns allen gilt: „Christ ist erstanden“, für uns, für die Welt in der wir leben. Und wir können antworten: „Halleluja“ und „Kyriesleis“

Noch ist die Seuche nicht vorüber, noch warten wir darauf, dass wir unsere Lieben wieder in die Arme schließen dürfen. Noch müssen wir dem Tod ins Auge sehen, wenn unsere Stunde kommt. Doch das Wunder ist geschehen:

„Christ ist erstanden von der Marter alle;
des solln wir alle froh sein,
Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis.
Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen;
seit dass er erstanden ist,
so lobn wir den Vater Jesu Christ’.
Kyrieleis. Halleluja,
Halleluja, Halleluja!
Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis.“

Eine gesungene Einladung, sich zu verbinden, trotz aller Distanz durch Raum und Zeit. Verbinden wir uns, weil Gott sich auf wundersame Weise verbunden hat mit uns. Stimmen wir in den Osterjubel der Jahrhunderte ein. Sie alle haben bekannt und geglaubt, dass der Stein vom Grab ist weggerollt. Christus ist nicht im dunklen Grab, sondern bei uns.

Lassen wir uns anstecken von der Osterbotschaft, dass Jesus Christus unsere Not und Einsamkeit kennt, mit uns durchlebt und auch überwindet. Ja, schon überwunden hat, auch wenn es uns gerade nicht so vorkommt.

Jubel kann laut werden, wenn ich erkenne, dass ich mit alledem nicht allein bin. Denn die Kraft Gottes, die lebendige Kraft des Auferstandenen, umfasst alles und durchdringt alles. Alle Menschen, ja die ganze Welt. Er ruft uns zu spüre, spüre meine Kraft und lebe. Nutze die Möglichkeiten, die dir das Leben schenkt. Nutze sie jetzt!
„Jesus bringt Leben, Halleluja!“ Amen

Christ ist erstanden. EG 99
Text: Bayern; Österreich 12. bis 15. Jh.
Melodie: Salzburg 1160/1433, Tegernsee 15. Jh., Wittenberg 1529

Segensgebet zum Osterfest (Verfasser unbekannt)
Der Gott des Lichtes und des Lebens strahle leuchtend auf uns. Er lasse uns spüren, das Feuer der Liebe und wärme unsere Herzen mit seiner Lebensglut, damit wir erkennen seine Güte und seine Barmherzigkeit, die überreich sind für jeden von uns. Er lasse uns aufstehen, wenn Leid unser Leben lähmt und lasse uns seine Stimme hören, wenn er ruft: Ich will, dass du lebst. Das gewähre uns Gott, der für uns Licht ist am Tag und in der Nacht: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

 

Pfarrer
Michael Gütgemann

 


 

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