Predigt zu 1. Joh 3,8b (Wochenspruch) vom 06.03.2022 Invocavit
Liebe Gemeinde,
„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“
Am heutigen Sonntag hören wir auf die Worte des Wochenspruchs aus dem 1. Johannesbrief, 3,8b:
Endlich einer, der dem schrecklichen Treiben des Teufels ein Ende setzen kann. Einer, der die menschenverachtenden Pläne von Terroristen und Despoten durchkreuzt.
Der Teufel ist allgegenwärtig. Immer wieder verführt er und blendet Menschen. Immer von Neuem gelingt es ihm Segen in Fluch zu verwandeln.
Und nun kommt endlich der, der diesem finsteren Treiben ein Ende setzt.
Doch wenn wir uns so umschauen, dann scheinen wir aus den Erfahrungen der Geschichte nichts gelernt zu haben.
Statt ein friedliches Zusammenleben auf unserer einen Welt anzustreben, folgen wir Verschwörungsmythen und werden mit der Gewalt von Politikern konfrontiert, die sich und ihre Macht selbst an die Stelle Gottes setzen.
Auch viele Menschen innerhalb unserer Kirche sind finsteren Mächten gefolgt und haben den ihnen anvertrauten Menschen Gewalt angetan.
Auch innerhalb der Kirchen wütet die Macht des Teufels, die so viel Unheil unter uns hervorruft.
Wir unterliegen schnell den nichtmenschlichen, finsteren Kräften, weil sie uns oftmals den leichteren Weg vorgaukeln.
Ganz egal, ob wir sie Dämonen, Geister, Teufel, Sachzwänge oder Prioritäten nennen oder anders. Sie helfen uns, mit unseren Gewissensnöten umzugehen.
Wir alle sind nicht sicher davor, dass uns hier und da der Teufel reitet. Klimaschäden, Kriege und Wirtschafts- oder Flüchtlingskrisen sind Folgen unseres menschlichen Versagens.
Das klingt irgendwie alles nach finsterem Mittelalter. Doch wenn wir uns in der Realität umschauen, müssen wir uns fragen, wieso das Zerstörerische so mächtig ist?
Als ob wir je den Teufel gebraucht hätten, um Kriege anzufangen. Als ob wirtschaftliche Faktoren oder arbeitspolitische Notwendigkeiten Lebewesen wären wie die Fabelwesen der abergläubischen Zeit.
Angesichts der schrecklichen Kriegsbilder aus der Ukraine stürzen nun unsere vermeintlichen Sicherheiten in den Abgrund.
Nach Jahrzehnten des Friedens haben wir uns ein heile Welt Feeling angeeignet. Wissenschaftler nennen es das Auenlandgefühl.
Viele kennen die große Erzählung von J.R.R. Tolkien „Herr der Ringe“. Spätestens mit der Corona-Pandemie haben wir alle den Schauer gespürt, den man in der Trilogie mit den dunklen Mächten „Mordors“ verbindet.
Gerade erleben wir, wie unser „Auenland“ von mehreren Seiten bedroht wird:
Corona, Klimakrise und nun dieser schlimme Krieg, mit nicht absehbaren Folgen für den Weltfrieden.
Doch wir haben nie wirklich im „Auenland“ gelebt.
Wir sind allenfalls eine Illusion von heiler Welt in unser eigenen, dörflichen Wirklichkeit gefolgt.
Wir haben ausgeblendet, wie es in der Welt zugeht, weil es bei uns so schön ist.
Nun fühlen wir das Schöne bei uns bedroht. Hinschauen tut weh. Wo bleibt da für uns die Unbeschwertheit des Lebens, das Glück, wenn man so mit der rauen Wirklichkeit konfrontiert wird.
Das Glück bleibt auch nicht, wenn wir wegsehen und uns in unseren Dörfern oder im Privaten einigeln und uns als nicht Betroffene empfinden in unserer eigenen Wirklichkeit.
Denn dieser Krieg in Europa betrifft uns alle. Es ist ein Angriff auf unsere Werte, auf das freiheitliche Prinzip des Zusammenlebens und der Solidarität.
„Christentum bedeutet Entscheidung“. Mit diesen Worten begann der damals 19-jährige Student der Theologie Dietrich Bonhoeffer seine erste Predigt. Er wird zu diesem Zeitpunkt kaum geahnt haben, wie der Begriff der Entscheidung zu einem zentralen Thema seines Lebens und seiner Theologie werden sollte.
In vieles ist er erst Schritt für Schritt hineingeraten. Auch sein Glaubensweg hat sich Schritt für Schritt mit der Deutung der erlebten Wirklichkeit erschlossen.
Doch in unserer Geschichte sind wir heute an einen Punkt gekommen, wo wir uns fragen müssen, was uns etwas wert ist – was uns heilig ist.
Wie werden wir einmal, wenn es uns geschenkt ist, auf diese Zeit jetzt zurückblicken?
Was werden wir sagen, wenn wir uns fragen, wo wir in dieser Situation standen. Jetzt ist die Zeit, wo uns fragen müssen und eine Entscheidung fällen müssen, wer wir sein wollen.
Mit unseren (euch) Konfirmandinnen und Konfirmanden haben wir auf die Situation geschaut.
Wir haben über die Bilder und Nachrichten gesprochen und wir haben uns gefragt, was denn der Werterahmen ist, an dem wir uns ausrichten.
Wir hatten uns in den Wochen zuvor mit den gerade gehörten 10 Geboten beschäftigt und einige sagten, dass dies der Maßstab unseres Handelns und unserer Entscheidungen ist.
Das ist der Instrumentenkasten, mit dem wir den Werken des Teufels entgegentreten können.
Das sind die Werte, die uns hoffentlich zu Menschen machen, die sich einsetzen, helfen, spenden und über den eigenen Kirchturm hinausblicken.
Menschen, die dafür einstehen, dass sich ein friedliches Miteinander nicht von allein ergibt, nirgendwo auf der Welt.
Wenn wir unsere friedliche Welt gegen die Mächte der Finsternis verteidigen wollen, dann sind wir Fürsprecher, Verteidiger der Freiheit und keine Bedenkenträger oder Schlechtredner.
Mit unseren christlichen Werten im Gepäck sagen wir Nein zu den Menschen, die unsere Freiheit mit Füßen und Polizistinnen, Anwält*innen und Politiker*innen und deren Familien unverhohlen drohen.
Wir sagen nein zu jeder Form von Gewalt!
Wir lassen nicht zu, dass sich Mächte und Gewalten an die Stelle Gottes setzen, der gesagt hat: „Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanke über euch habe: … Gedanken des Friedens und nicht des Leidens, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet.“ (Jeremia 29,11)
Dass Jesus den Tätigkeiten des Teufels etwas entgegensetzt, das ist unsere Hoffnung. Doch wir können selbst einen Beitrag leisten.
Unser Glaube mutet uns einiges zu. Das hat Jesus immer wieder deutlich gemacht.
Zu den schwersten Forderungen Jesu gehört die Feindesliebe.
Er sagt in der Bergpredigt: „Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel seid.“ (Mt 5,43-44)
Eine versöhnliche Haltung gegenüber den Menschen ist Voraussetzung dafür, dass wir Vergebung für unser eigenen Versagen finden.
So stellt Jesus fest: „Wenn ihr nämlich den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, wird auch euch euer himmlischer Vater vergeben.“
Durch die Corona-Krise liegen viele Nerven blank. Der Umgangston miteinander ist rauer geworden.
Angesicht der gegenwärtigen Krise werden wir einander viel zu vergeben haben.
Es gibt nicht Schwarz und Weiß – Russe gegen Ukrainer, denn in diesem Krieg gibt es Leid und Not auf allen Seiten.
Wo wir zu Mitteln der Gewalt greifen oder greifen müssen, um unsere Werte zu verteidigen, gibt es keine Gewinner, nur Verlierer.
Es braucht klaren Widerstand gegen die Werke des Teufels wie Unrecht und Gewalt. Worte allein reichen dazu nicht aus.
Und zugleich wissen wir: Drohungen, Eskalation oder gewaltsames Eingreifen in den Konflikt gefährdenden genauso den Frieden.
Wir brauchen eine Entscheidung, aber auch einen kühlen Kopf.
Und: Friedliche Bilder vor Augen. Von Menschen, die in dieser Zeit all ihre Kraft und Findigkeit aufbringen, damit der Frieden eine Chance hat.
In einer Zeit, wo sich Menschen immer mehr aus der Welt des Glaubens zurückziehen und den christlichen Werten nichts mehr zutrauen, brauchen wir Jesus unbedingt. Und wir brauchen Menschen, die seine Werte verteidigen.
Im Vertrauen auf seine Macht und sein Wort können wir anfangen, den Werken der menschlichen Teufeleien etwas entgegen zu setzen.
Er sagt uns: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Amen.
EG 430 Gib Frieden, Herr, gib Frieden
1. Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
die Welt nimmt schlimmen Lauf.
Recht wird durch Macht entschieden,
wer lügt, liegt obenauf.
Das Unrecht geht im Schwange,
wer stark ist, der gewinnt.
Wir rufen: Herr, wie lange?
Hilf uns, die friedlos sind.
2. Gib Frieden, Herr, wir bitten!
Die Erde wartet sehr.
Es wird so viel gelitten,
die Furcht wächst mehr und mehr.
Die Horizonte grollen,
der Glaube spinnt sich ein.
Hilf, wenn wir weichen wollen,
und lass uns nicht allein.
3. Gib Frieden, Herr, wir bitten!
Du selbst bist, was uns fehlt.
Du hast für uns gelitten,
hast unsern Streit erwählt,
damit wir leben könnten,
in Ängsten und doch frei,
und jedem Freude gönnten,
wie feind er uns auch sei.
4. Gib Frieden, Herr, gib Frieden:
Denn trotzig und verzagt
hat sich das Herz geschieden
von dem, was Liebe sagt!
Gib Mut zum Händereichen,
zur Rede, die nicht lügt,
und mach aus uns ein Zeichen
dafür, dass Friede siegt.
Text: Jürgen Henkys (1980) 1983 nach dem niederländischen »Geef vrede, Heer, geef vrede« von Jan Nooter 1963
Melodie: Befiehl du deine Wege (Nr. 361)
Pfarrer Michael Gütgemann, Wartenberg
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