Predigt zum Heilig Abend 2021 – Micha 5,1-4
(Micha 5,1-4): 1 Du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. 2 Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Israeliten. 3 Er aber wird auftreten und sie weiden in der Kraft des Herrn und in der Hoheit des Namens des Herrn, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde. 4 Und er wird der Friede sein.
Alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Feiern wir Weihnachten. Das Fest der Geburt Jesu, liebe Gemeinde! Die Weihnachtszeit ist rund um den Erdball eine wichtige, eine besondere Zeit. Schon wochenlang laufen die Vorbereitungen. Wir überlegen und kaufen oder basteln Geschenke. Wir suchen uns einen Weihnachtsbaum aus, stellen ihn kurz vor Heilig Abend auf und schmücken ihn mit großer Hingabe und Leidenschaft. Die kleineren Kinder können die Spannung oft kaum aushalten, bis es endlich Geschenke gibt. Der Adventskalender mit Süßigkeiten oder Legosteinen soll diese Wartezeit überbrücken. Wir holen die Krippenfiguren aus ihrem Karton und erinnern uns beim Aufbau an die unglaubliche Geschichte von Maria und Josef und der Geburt des Gottessohnes in der einfachen Futterkrippe. Viele Küchen werden zu wahren Weihnachtsbäckereien. Auch in unserer Gemeindehausküche dufte es jeden Adventssonntag nach frischen Plätzchen, die unsere Konfirmand*innen für die Kindergottesdienstkinder gebacken haben. Wir zünden Kerzen an. Und teilen das Licht von Bethlehem unter uns, wie am 4. Advent während einer Andacht auf unserer Burgruine Wartebach, um zu sehen, wie auch kleine Lichter die Dunkelheit um uns herum hell machen. Wir stimmen uns ein durch das Hören bekannter Weihnachtslieder. Der Gipfel der Glückseligkeit bei uns ist erreicht, wenn es dann noch weiße Weihnachten gibt. Alle Jahre wieder stimmen wir uns gemeinsam ein auf die Weihnachtsbotschaft und die Verheißung von umfassenden Frieden und Rettung für die Welt. Woher kommen Rettung und Friede? Das war eine Frage an den alttestamtlichen Propheten Micha. Micha war als Prophet, vor fast 3000 Jahren, nicht nur Gottes Stimme war, sondern er kritisierte auch die damaligen Lebensumstände. Das ungerechte Gefälle von Arm und Reich. Das Verhalten der herrschenden Oberschicht prangerte er an. „Noch immer bleibt unrecht Gut in der Gottlosen Hause und das verfluchte falsche Maß.“ (Mi 6,10f.) Micha wird zum Sprachrohr für benachteiligte Menschen und die göttliche Wut.
Gott ist wütend, weil er die Welt als einen anderen Ort gedacht hat. Eigentlich ist die Welt so angelegt, dass wir alle das bekommen, was wir zum Leben brauchen. Aber so viele Menschen erleben das anders. Micha verkündet, dass Gott das so nicht will. Die Botschaft des Micha irritiert unsere Stimmung am Heiligen Abend. Das wollen wir doch jetzt nicht hören. Dafür haben wir nicht so festlich eingestimmt. Aber für alle, die Unrecht leiden, oder die sich Sorgen um unsere Welt und wie es auf ihr zugeht, ist es eine sehr gute Nachricht. Wie passt diese Kritik in unsere Festtagsstimmung? Während wir uns auf Weihnachten freuen und hoffentlich die Zeit mit unseren Lieben, bleibt die Welt um uns herum ja nicht stehen. Frieden und Gerechtigkeit bleiben bedroht. Wir leben im
Krisenmodus. Unsere Wirklichkeit ist auf den Kopf gestellt. Aufgewachsen im Wohlstand der Bundesrepublik und dem wiedervereinigten Deutschland sind die Pandemie und die Klimakatastrophe etwas völlig Neues. Wir sind zerstritten über den richtigen Weg aus diesen Krisen. Ich habe unsere Konfirmandengruppe gefragt, was sie denn heute vom göttlichen Retter erwarten würden? „Dass er die Pandemie beendet und die Klimakatastrophe verhindert und er Frieden bringt“, war die Antwort. Woher kommt Rettung? Wir wissen, dass wir den Klimawandel aufhalten müssen, damit wir unseren Kindern und Enkel noch einigermaßen lebenswerte Umweltbedingungen hinterlassen. Wir wollen uns aber auch nicht verändern oder allzu stark einschränken. Und wir haben gerade wieder reale Angst vor den Machtspielen mit Russland und China. Wir sehen uns an der Schwelle zu regionalen oder gar einem globalen Krieg und wünschen uns Frieden. Eigentlich sind Krisen nichts besonders. Wir erleben sie in der Menschheitsgeschichte immer wieder. Wo Frieden und Wohlstand gedeihen, sind es mehr oder weniger kurze Abschnitte, kleine Inseln der Hoffnung. Um das Leben bestehen zu können brauchen wir den Blick auf diese kleinen Hoffnungsinseln. Solch eine Vision ist der kurze Predigtabschnitt aus dem Michabuch für den Heiligen Abend. Eine durch und durch friedliche Erwartung des kommenden Retters. Die große Frage heute ist nicht, ob die Weihnachtsstimmung in unseren Familien hält oder das Festessen gelingt, sondern die grundlegende Frage ist, woher und wann kommt es zu dem versprochenen Frieden? Woher kommt unsere Rettung? Aus der Stadt Bethlehem hat Micha den Friedensbringer erwartet, und wir sehen ihn in Jesus. Wir erinnern uns, dass er in einer Krippe geboren ist. Gott kommt nicht als glorreicher Herrscher, oder wird als brillanter Redner geboren. Er kommt als Kind von Maria und Josef auf die Welt. Ein normales Baby in Windeln gewickelt, das schreit und gestillt werden muss. Ein Kind, das weint und lacht und das zunächst ganz viel Liebe und Vertrauen braucht um Groß werden zu können. Im Stall von Bethlehem wird wahr, dass aus einfachen Menschen besondere Persönlichkeiten werden, die der Welt eine Hoffnung geben, eine Perspektive, dass Gott nicht Chaos und Krieg möchte, sondern umfassenden Frieden. Eine Welt in der wir gut und sicher wohnen können. Das Kind in der Krippe verändert uns. Darum ist es so wichtig, sich einmal im Jahr von dem Licht in der Krippe erleuchten zu lassen. Allein dafür hat sich unser ganzer Aufwand und die Vorbereitung auf Heilig Abend gelohnt. Gott bleibt mit seiner Wut über den bedrohten Frieden und den Umgang der Menschen untereinander nicht im Himmel, sondern er kommt. Zunächst in ein kleines unscheinbares Dorf am Ende der Welt. So, wie es der Prophet Micha gesagt hat: „Du, Bethlehem, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang und Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“ Warum sollte er dann vor unseren Dörfern und Städten und vor unseren Herzen Halt machen? Alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Feiern wir Weihnachten. Amen.
Frohe und friedvolle Weihnacht wünschen Ihr Pfarrerehepaar Kerstin & Michael Gütgemann!
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