Predigt zur Verabschiedung und Einführung von Mitarbeiterinnen unserer Wartenberger Kindertagesstätten am 17.07.2022
„Glücklich ist der Mensch, der einem Baum gleicht, der am Wasser gepflanzt ist. Seine Früchte trägt er zu seiner Zeit und seine Blätter welken nicht. Alles, was er tut, gelingt ihm gut.“ (Psalm 1,1+3)
Liebe Frau Wahl, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Kitas, liebe Gemeinde,
ein stattlicher Baum, eine Eiche, vor langer Zeit vielleicht von einem Menschen gepflanzt, thront auf den Höhen über Landenhausen unweit des kürzlich dort aufgestellten Kreuzes.
Von dort hat man einen Blick in die Weite, schaut auf die Wasserkuppe und die ferne Rhön. Ihr Stamm ist so dick, dass man ihn umarmen, aber nicht umfassen kann.
Liebe Frau Wahl, dieser Baum hat für sie als Erzieherin Symbolcharakter.
Ich habe sie gefragt, welches Motiv sie in den Mittelpunkt stellen würden, wenn sie über ihre Zeit als Erzieherin ein Bild malen müssten.
Sie haben von diesem Baum erzählt.
Dem Bild des Baumes wollen wir gedanklich weiter folgen.
Am liebsten würde ich mit Ihnen jetzt raus aus der Kirche zu einem Baum gehen. Und mir mit Ihnen Zeit nehmen, ihn zu betrachten und zu berühren.
Die raue Rinde spüren, den herben Eichengeruch riechen und die dicken Wurzeln die tief in die Erde reichen bestaunen.
So wie der Baum sich nach unten ins Erdreich austreckt, streckt er sich noch viel mehr dem Himmel entgegen.
Jeder hat schon mal durch eine Baumkrone in den Himmel geschaut. Sehen wir in Gedanken hinauf. Breit ist die Krone und dicht.
Sie können förmlich spüren, wie sich Äste und Blätter weit strecken, um Licht und Sonne, Regen und Wind aufzunehmen.
Im Herbst wird wieder der ganze Weg voller Eicheln liegen, über die sich nachts die Wildschweine freuen.
„Glücklich ist der Mensch, der einem Baum gleicht, der am Wasser gepflanzt ist. Seine Früchte trägt er zu seiner Zeit und seine Blätter welken nicht. Alles, was er tut, gelingt ihm gut.“ (Psalm 1,1+3) heißt es in der Bibel.
Und der 1. Psalm vergleicht den guten Platz zum Wachsen und Gedeihen mit einer Lebenshaltung: „Glücklich ist der Mensch, der in dieser Weise lebt: Er lebt nicht auf sich selbst bezogen, sondern hat eine Beziehung zur Schöpfung und zum Schöpfer. Er begegnet anderen mit Wertschätzung und wird selbst mit Wertschätzung behandelt.
Der Psalmbeter schreibt außerdem von der Freude an der Botschaft der Bibel. Er bezieht diese Worte in seine Tagesgedanken mit ein und entdeckt, dass Gottes Wort eine Bedeutung für sein Leben hat.
Was für ein Mensch ist das, von dem der Psalmbeter schreibt?
Was für ein Mensch wäre mit der stattlichen Eiche auf dem Landenhäuser Hügel zu vergleichen?
Der Psalm beschreibt einen Menschen mit Prinzipien.
Ich stelle mir vor, ein solcher Mensch bemüht sich, nicht auf Kosten anderer zu leben. Fragt danach, was sein Handeln mit dem oder der anderen macht. So jemand behandelt seine Mitmenschen mit Wertschätzung.
Gerade sie ist im pädagogischen Alltag eine wichtige Grundlage. Es geht um Erziehung und Bildung. Es geht aber immer auch um ein Leben in Beziehung.
Das Beste pädagogische Konzept wirkt nicht, wenn nicht die Menschen, die es vertreten auch in der alltäglichen Begegnung mit dem Kind es leben.
Ein bekannter Pädagoge des 20. Jahrhunderts (Janusz Korczak – Pädagogik der Achtung) beschreit ihren Alltag als Erzieherinnen und Erzieher so: sie sind zuständig für das Gerstenkorn im Auge, das verlorene Spielzeug, für Tränen, für Lachen, für zerbrochene Scheiben, für Essen, Trinken und Schlaf …
Sie schaffen Räume, in den Kinder wachsen und sich entfalten können.
Sie vermitteln auf der Basis ihrer pädagogischen Ausbildung und vielleicht auch ihrer Verwurzelung im christlichen Glauben den Kindern Vertrauen in sich selbst, Vertrauen ins Leben, und Vertrauen zu Gott.
Sie gehen respektvoll mit den ihnen anvertrauten Kindern um und stellen sich immer wieder neu auf die Eltern ein, die ihnen ihre Kinder auf Zeit anvertrauen.
Die Arbeit als Erzieherin ist kein Beruf, es ist eine Berufung.
Die Tätigkeit verlangt eine bewusste Entscheidung. Es ist kein Job von „nine to five“, den man einfach abschüttelt, wenn man nachhause geht. Ich danke Ihnen allen für ihren Dienst.
Ihre Tätigkeit ist anstrengend und schön zugleich.
Wer mit einem Kind spazieren geht, lernt die Entschleunigung des Lebens – da entdeckt es ein Blatt und bleibt stehen, um es aufzuheben, dort einen Käfer und hier eine Pfütze, in die man steigen und das Wasser so herrlich spritzen sieht.
Ein Kind lebt im Hier und Jetzt. Ein Kind kann staunen und beobachten, ein Kind kann seine Gefühle ausdrücken ohne sie vorher zu filtern, ein Kind kann lieben ohne Vorbedingungen und vertraut seinen Eltern bedingungslos, in ihm spüren wir die Lebendigkeit.
Wir können diese Erfahrungen mit den Kindern auf den Glauben übertragen, denn bei Gott darf ich meine eigenen Denkmuster und inneren Antreiber loslassen - und sein wie ein Kind.
So entdecken wir vielleicht im Baum am Wegesrand, in den fließenden Bach, den Blumen, den Schmetterlingen und Nacktschnecken die Freude, an dem Geschenk des Lebens. Erkennen, dass es Gott gut gemeint und gut gemacht hat mit seiner Schöpfung.
Gott schenkt uns Zeit auf seiner Welt damit wir uns entfalten und ausstrecken können, nach dem Leben und auch immer wieder zu Gott hin.
Je tiefer das Vertrauen ins Leben umso stärker die Freude am Geschenk des Lebens. Zu diesem Geschenk gehört auch die Zeit im Beruf.
Glücklich, wer nach 46 Jahren, 11 Monaten und 14 Tagen, wie sie heute, Frau Wahl, zurückblicken kann und sagen: „ja, es war gut!“
Schauen wir noch einmal kurz auf das was in Ihrer Dienstzeit –Frau Wahl- gewachsen ist.
Sie haben damals als 16-jährige, junge Frau, 1975, in unserer Einrichtung in Angersbach eine Ausbildung als Kinderpflegerin begonnen. Pfarrer Klaus hatte sie damals eingestellt.
Ihre Eltern wollten, dass sie Zahnarzthelferin werden, doch ihr Herz schlug für die Begleitung von Kindern. Der Alltag war mit heute nicht mehr zu vergleichen.
Damals gab es sogar noch eine Mittagspause. Die Kinder wurden zum Essen abgeholt und um 13.30 Uhr wiedergebracht.
Heute haben wir von seven to five, von 7 Uhr bis 17 Uhr geöffnet und es gibt Kitas in Großstätten, wo die Einrichtungen noch viel länger offenbleiben.
Damals waren Sie das junge Fräulein auch für die Kinder.
Die Distanz, die damit verbunden war, hatte ihnen im Umgang mit den Kindern nicht gefallen. Heute sind sie für die Kinder ganz selbstverständlich die Christa, und das fühlt sich für Sie richtig gut an.
Sieben Kita-Leiterinnen haben sie in ihrer Zeit erlebt. Sie konnten noch alle namentlich aufzählen.
Kerstin Schött-Stieler, Susanne Schwedeck und Colin Kimpel, jetzt Kolleg*innen, haben Sie noch als Kindergartenkinder erlebt.
Mittlerweile bringen ihre ehemaligen Kindergartenkinder als Eltern ihre eigenen Kinder zu ihnen in die Kita.
1997 machten Sie eine Weiterbildung zur Erzieherin.
Ihr Anerkennungsjahr machte in Angersbach einen Gruppenwechsel nötig, sonst blieben sie der Grünen Gruppe stets erhalten.
Ihre Praxisanleiterin war damals Elisabeth Treu, die wir heute als stellv. Leiterin einführen.
Die Ausbildung hat ihnen neue Blickwinkel auf ihre Arbeit vermittelt, dafür sind sie dankbar.
Als Landenhäuserin haben Sie bei Personalengpässen auch gern mal in der Kita Landenhausen ausgeholfen. Doch Sie waren immer auch froh, dass der Arbeits- und der Wohnort räumlich getrennt waren.
Die Pandemie war ein besonderer Einschnitt.
Es wurde Ihnen und den Kolleginnen und Kollegen viel abverlangt. Ständig musste man sich auf neue Situationen einstellen.
Man wusste montags nicht, wie die Woche verlaufen wird.
Sie haben immer den Rückhalt im Team betont. Den Zusammenhalt haben sie gespürt, dafür sind sie dankbar. Sie wünschen dem Team auch in Zukunft, dass der Zusammenhalt bleibt.
Sie haben bei den Kindern in dieser Umbruchzeit auch positive Entwicklungen wahrgenommen. Die Kinder sind durch diese Krisen-Erfahrungen selbständiger geworden, so ihr Eindruck.
Am 29. Juli ist ihr letzter, offizieller Arbeitstag. Dann gehen Sie in Urlaub, und ab 01. September heißt ihr neuer Arbeitgeber Deutsche Rentenversicherung.
Sie freuen sich über mehr Zeit mit ihren Enkelkindern. Und sie wollen die Zeit mit ihrem Mann und der Familie genießen, jetzt wo es ihnen gut geht und sie fit sind.
Vielleicht auch etwas mehr Reisen, auf alle Fälle mehr Zeit am Meer verbringen, der Insel Föhr und der Nordsee, die sie lieben.
Es gibt so viele Orte an denen wir wurzeln können.
Und anders wie die Eiche am Bach oder auf dem Hügel über Landenhausen, können wir den Standort und die Perspektive immer mal wechseln.
Wenn ich ein Baum wäre, an welchem Ort würde ich jetzt gerne wurzeln? Vielleicht nehmen Sie alle diese Frage mit in den Sonntag?
„Glücklich ist der Mensch, der einem Baum gleicht, der am Wasser gepflanzt ist. Seine Früchte trägt er zu seiner Zeit und seine Blätter welken nicht. Alles, was er tut, gelingt ihm gut.“ (Psalm 1,1+3)
Das Bild des Psalms ist klar und verheißungsvoll: Der Bach, der meine Wurzeln mit dem Lebenswichtigen versorgt, mir Orientierung für mein Leben gibt, mich ermutigt, achtsam mit anderen umzugehen und wertschätzend über andere zu reden, der mir Halt gibt - und mich wissen lässt, dass Gott für mich da ist, dieser Bach steht im Psalm für meine Beziehung zu Gott.
Unerschöpflich ist Gott. Mir geht das so, dass ich bei meinem Lesen in der Bibel, beim Nachdenken und Reden darüber mit anderen spüre, wie meine Seele genährt wird.
Gottes Wort gibt mir Kraft, für jeden Tag. Und wann immer ich kann gebe ich gerne davon ab. Wie ein Baum, der seine Früchte trägt zu seiner Zeit.
Möge Gott Ihnen, Frau Wahl, ganz viel Kraft geben und weiterhin Zeit zum reifen und Früchte bringen, denn das geht auch, wenn man nicht mehr in vollem Saft und Kraft der beruflichen Verantwortung steht.
Möge Gott auch unseren neuen stellv. Leiterinnen Kraft geben zu wachsen an den neuen Aufgaben, sich weiter zu verwurzeln und gute Früchte zu bringen.
Mögen sich Gemeinde und Kitas weiter verästeln und spüren, wie fruchtbar das Miteinander ist. Keine Last wegen der vielen Personal- und Strukturentscheidungen, sondern ein Miteinander, in dem Glaube und Vertrauen ins Leben wachsen können. Amen
Grüne Pflanze schenken. Grüne Gruppe. Kann beim Wachsen zu sehen.
Pfarrer Michael Gütgemann, Wartenberg
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